Schon früh wuchs die Bevölkerung sehr schnell an
Der neue Band «Kunstdenkmäler des Kantons Zürich» widmet sich dem Bezirk Dielsdorf. Der «Rümlanger» stellt daraus Teile über die Gemeinde Rümlang in einer kleinen Serie vor.
Wohnsiedlung Obermatten, 1971: vorne rechts kath. Kirche St.Peter (1969–70), links Schulhaus Rümelbach (1967–1969), beide vom Architekten Bernhard Weis. Bild: Flugaufnahme Werner Friedli. ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv, LBS_H1-029365.
Der neue Band «Kunstdenkmäler des Kantons Zürich» widmet sich dem Bezirk Dielsdorf. Der «Rümlanger» stellt daraus Teile über die Gemeinde Rümlang in einer kleinen Serie vor.
Rümlang. Gewusst, dass Rümlang im Alten Zürichkrieg (1443) zu grossen Teilen niederbrannte, oder dass Rümlang vor 1800 das bevölkerungsreichste Dorf im Gebiet des späteren Bezirks Dielsdorf war, oder dass in den 1940er-Jahren eine neue Siedlung entstand, um die damalige Wohnungsnot in der Stadt Zürich zu lindern und die Stadtflucht aufzufangen, oder dass Rümlang lange sehr schnell wuchs, zuerst durch Aussiedlerhöfe, dann durch den Bau von neuen Siedlungen, die vor allem durch die Eröffnung des Flughafens nötig wurden? Man entdeckt in der Geschichte des Dorfes durchaus Parallelen zu den Themen der heutigen Zeit.
Der neue Zürcher Kunstdenkmälerband beleuchtet die kunstgeschichtliche Vielfalt des Bezirks Dielsdorf. Die Region erstreckt sich über 22 Gemeinden und erlebte in den letzten Jahrzehnten grosse Veränderungen. Dokumentiert wird unter anderem der demografische und wirtschaftliche Wandel in der zweiten Hälfte des 20. Jh. Er ging einher mit einem Wohnungsbauboom und dem Neubau von Schulanlagen und modernen Kirchen, die den ehemaligen Bauerndörfern ein urbanes Ambiente verliehen. Es entstand eine vielfältige Baukultur, die auf den 560 reich illustrierten Seiten des Buches entdeckt werden kann.
In der Mitte des 10. Jh. bestand das Dorf Rümlang aus mindestens acht von der Fraumünsterabtei beziehungsweise ihrer Rümlanger Kirche und dem Meierhof abhängigen Hofstellen. Wie aus einem Streit um den sogenannten Neugrützehnten zwischen der Fraumünsteräbtissin und dem Pfarrer von Rümlang hervorgeht, kam es in der ersten Hälfte des 13. Jh. zu einer weitausgreifenden Rodungstätigkeit und Urbarmachung, in deren Folge das Dorf um einige Haushofstätten angewachsen sein dürfte.
Im 14./15. Jh. umfasste der Güterkomplex der Fraumünsterabtei neben dem Kehlhof am Fuss des Kirchenhügels und dem Meierhof (nicht lokalisiert) beachtliche zehn Huben (mittelalterl. Hofform) und vier Schupposen (mittelalterl. Bezeichnung für Kleinbauernhof). Das Kloster Einsiedeln besass in dieser Zeit zwei grosse Höfe (Bulanz- und Steghof), zwei Huben und sieben Schupposen – ein «Einsidlerhoff» lag einem Grundprotokolleintrag des 17. Jh. zufolge im Ausserdorf an der Bahnhofstrasse. Dieses «gros dorf» wurde im Alten Zürichkrieg (1443) zusammen mit dem «thurm underm dorf in grund verbrant untz an (bis auf) die kilchen und die nächsten hüser daby». Nach dem Wiederaufbau zählte Rümlang laut Steuerverzeichnis von 1467 mindestens 38 Haushaltungen, was auf eine Bevölkerungsgrösse von rund 200 Personen schliessen lässt. 1634 wurden 558, 1679 750, 1709 865 und 1799 759 Dorfbewohnerinnen und -bewohner verzeichnet. Damit war Rümlang vor 1800 das bevölkerungsreichste Dorf im nachmaligen Bezirk Dielsdorf. Im 19. Jh. wuchs die Rümlanger Bevölkerung um einige hundert Personen an: 1850 zählte die Gemeinde 904 und 1900 1029 Einwohnerinnen und Einwohner.
Zurückzuführen war dieses demografische Wachstum in erster Linie auf die nun zahlreich entstandenen Aussenhöfe, in geringerem Ausmass auf die Ausdehnung des Dorfes. Letztere erfolgte in moderatem Umfang hauptsächlich entlang der 1849 angelegten Fahrstrasse Seebach–Niederglatt, die westlich des historischen Ortskerns vorbeiführte. Ein eigentliches Siedlungswachstum setzte dann ab den 1930er-Jahren ein, als sich im ehemaligen Rebhang im Leberbäumli mehrere Einfamilienhäuser allmählich zu einem Wohnquartier gruppierten.
1943 initiierte der Architekt Jacques Spycher aus Zürich mit Blick auf die in der Stadt Zürich herrschende Wohnungsnot und die zu erwartende Stadtflucht auch «besser Situierter» den Bau einer Einfamilienhaussiedlung an der Breitenstrasse jenseits der 1865 eröffneten Eisenbahnlinie Oerlikon–Bülach.
1948 bis 1949 entstand im Süden von Rümlang ein neues Wohnquartier, erbaut für die Mitarbeitenden des neu eröffneten Flughafens. Infolgedessen wies Rümlang im Vergleich mit anderen Gemeinden bereits in der ersten Hälfte des 20. Jh. ein überdurchschnittliches Bevölkerungswachstum auf: Im Zeitraum 1920 bis 1950 war die Einwohnerzahl um fast 700 Personen (plus 63 Prozent) gestiegen; 1950 lebten 1744 Personen in der Gemeinde. Nach 1950 setzte sich der Wohnsiedlungsbau im Süden von Rümlang fort; 1954 wurde Rümlang dem «Baugesetz für Ortschaften mit städtischen Verhältnissen» unterstellt.
Wie die Wohnquartiere der 1930/1940er-Jahre wurden die von Baugenossenschaften verantworteten Überbauungen zunächst noch abseits des Dorfkerns errichtet und legten sich zusammen mit den ab den 1960er-Jahren an der Strasse nach Katzenrüti und im Heuel entstandenen Überbauungen in einer Art neuem Siedlungsgürtel um das Dorfzentrum. Die rege Bautätigkeit der letzten drei Jahrzehnte stellte dann den baulichen Anschluss der ehemaligen Aussenquartiere an den historischen Ortskern her. 1980 zählte Rümlang 5164, 2000 5580 und 2020 5281 Einwohnerinnen und Einwohner.
Bettina Sticher
Die Kunstdenkmäler des Kantons Zürich, Der Bezirk Dielsdorf, Regula Crottet, Anika Kerstan, Philipp Zwyssig (Kunstdenkmäler der Schweiz, Band 146, Die Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte GSK, B
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