Pistenkontrahenten wetzten die Klingen
Am 3. März wird im Kanton Zürich über die Pistenverlängerungen am Flughafen Zürich abgestimmt. In Rümlang lieferten sich letzte Woche je zwei Gegner und Befürworter eine engagierte Debatte.
Über den Pistenausbau am Flughafen wird am 3. März abgestimmt. Bild: Flughafen Zürich AG
Am 3. März wird im Kanton Zürich über die Pistenverlängerungen am Flughafen Zürich abgestimmt. In Rümlang lieferten sich letzte Woche je zwei Gegner und Befürworter eine engagierte Debatte.
Rümlang. Der Rümlanger Gemeinde-Präsident Peter Meier-Neves (SVP) und Priska Seiler Graf (SP), Nationalrätin aus Kloten, bildeten am Informations- und Diskussionsabend vom Mittwochabend vergangener Woche in Rümlang zur kantonalen Abstimmung vom3. März über die Pistenverlängerungen am Flughafen eine Contra-Allianz, die auf den ersten Blick ungewöhnlich scheint. Gegeben ist sie jedoch wegen der starken Dauerbelastung der Bevölkerung in den Flughafengemeinden.
Auf der Pro-Seite fanden sich Andreas Schürer, Geschäftsführer «Weltoffenes Zürich» sowie der SVP-Kantonsrat Lorenz Habicher. Durch die Diskussion führte Rümlangs Verwaltungsleiter Giorgio Ciroli. Es waren mehrere Dutzend Zuhörer im Gemeindehaus anwesend.
Die Verlängerung der Piste 28 nach Westen und der Piste 32 nach Norden führe zu mehr Sicherheit und Verspätungsabbau, wird von den Befürwortern argumentiert. So sei bei gewissen Wetterverhältnissen die Piste 28 zu kurz. Wiederholt wurde dabei auch auf Aussagen von Skyguide-Mitarbeiten verwiesen. Im Gegenlager wiederum wurden ehemalige Skyguide-Mitarbeiter zitiert, welche den Pistenausbau als Geldverschwendung gebrandmarkt hatten. Die Contra-Seite sieht denn auch eine verkappte Kapazitätserhöhung als Hauptgrund für die Verlängerungen.
«Es geht um nicht mehr und nicht weniger, als dass wie geplant geflogen werden kann. Nämlich um die Südanflüge am Morgen und die Ostanflüge am Abend. Auch sind die Flugzeuge grösser geworden», sagte Befürworter Andreas Schürer. Von einer guten Anbindung an die Welt profitierten auch die Rümlanger, sei es durch Arbeitsplätze oder durch Steuer-Einnahmen. Letzterem widersprach Meier-Neves: «Da der Flughafen hauptsächlich auf dem Gemeindegebiet von Kloten liegt, fällt die Abgeltung für Rümlang deutlich geringer aus.»
Unbestritten ist indes auch für die Gegner die wirtschaftliche Relevanz des Flughafens mit den insgesamt über 30 000 Arbeitsplätzen als «Basis unseres Wohlstandes». Den Sicherheitsaspekt bezeichnete Meier-Neves aber als Scheinargument: «Wir schlafen in Rümlang nicht schlecht aus Angst, dass etwas am Flughafen passieren könnte, sondern wegen des Lärms.» Er sprach von einer «Salamitaktik der Flughafen-Verantwortlichen», die auf jeden Fall auf eine Kapazitätserhöhung abziele – «wenn nicht von der jetzigen Leitung, dann eben von der nächsten oder übernächsten.» Rümlangs Gemeinde-Präsident nahm in seinen Ausführungen kein Blatt vor dem Mund und sagte unter anderem: «Wir haben den Lärm und auch den Dreck, der in Richtung Rümlang geschickt wird.»
Seiler Graf wiederum erwähnte die seit Jahrzehnten nicht eingehaltenen Versprechungen der Flughafenbetreiber, darunter auch das mit Ausnahmeregelungen immer wieder umgangene Nachtflugverbot. «2010 hat das Bundesgericht eine siebenstündige Nachtruhe verordnet. Doch der Flughafen hält sich nicht daran», kritisierte sie. Da täglich auf Passagiere von verspätet landenden Anschluss-Flügen gewartet werden müsse, würden sich die hinteren Abflug-Slots immer weiter nach hinten verschieben, der Abschlusstages-Abflug erfolge oft kaum vor 23.30 Uhr, erklärten die Gegner mehrfach. Meier-Neves sprach gar von «Flugzeugen, die nach Mitternacht abheben».
Auch von Zuhörer-Seite folgte wiederholt der Vorwurf, dass den Bewohnern der Flughafen-Region stets etwas vorgegaukelt werde. «Ihr denkt, dass wir Idioten sind», sagte ein erboster Anwesender zu den Befürwortern des Pistenabbaus. Jemand anderer hielt fest: «Lärm macht krank. Die Wirtschaft wird über unsere Gesundheit gestellt.»
Seiler Graf betonte weiter, dass 80 Prozent der Zürcher Flugbewegungen auf Freizeitverkehr zurückzuführen seien. Dabei appellierte sie an ein ethisches Verhalten. Sie erinnerte an den Klimaschutz und sagte in diesem Zusammenhang, dass es wirklich bedenklich sei, «dass Menschen hierzulande vier Mal pro Jahr in die Badeferien fliegen.» Die Befürworter der Pistenverlängerungen indes sprachen ebenfalls von Nachhaltigkeit. Die Swiss werde bis 2050 klimaneutral fliegen und es würden Milliarden in eine nachhaltige Luftfahrt investiert, darunter in nachhaltige Treibstoffe, betonten sie.
Priska Seiler Graf entgegnete dem «Wir müssen schon ehrlich sein. Es gibt keine andere Nachhaltigkeit als die Reduktion des Flugverkehrs.» Meier-Neves wiederum kritisierte im Zusammenhang mit dem Bevölkerungswachstum die Haltung seines eigenen Parteikollegen beziehungsweise die Kursrichtung seiner Partei: «Man engagiert sich gegen die 10-Millionen-Schweiz und fördert gleichzeitig den Pistenausbau.»
Von den Gegnern des Pistenausbaus wurde weiter an die Solidarität der weniger stark von den Auswirkungen des Luftverkehrs betroffenen Gemeinden ausserhalb der Flughafen-Region appelliert. «Ein Nein am3. März sichert auch für Bewohner an beiden Flanken des Pfannenstils mehr Ruhe, denn die Lande- und Startkapazitäten können quantitativ nicht weiter ausgebaut werden. Die Lärmdiskussion im Kanton Zürich sollte über einen qualitativen Ausbau der Bewegungen und nicht wie bis anhin über die quantitativen erfolgen», erklärte Verwaltungsleiter Giorgio Ciroli gegenüber dem «Rümlanger».
Ein Thema war auch der Zürcher Fluglärmindex. Damit war einst ein Instrument geschaffen worden, mit dem die Anzahl lärmgeplagter Personen rund um den Flughafen bei maximal 47 000 Personen festgelegt wurde. «Dieser Wert konnte nur während der Corona-Pandemie wirklich eingehalten werden», sagte Priska Seiler Graf. Es seien von Anfang an wesentlich mehr Personen gewesen. «Eine Verbesserung der Werte hat der Kanton damit bewirkt, dass die Parameter für die Berechnung geändert wurden», ergänzte Gemeindepräsident Peter Meier-Neves: «Das ist so, wie wenn ein Ehepaar, das täglich streitet, seine Statistik damit verbessert, dass es nur die Diskussionen am Sonntagvormittag von acht bis zehn Uhr zählt und die anderen nicht.»
Der Zürcher Fluglärmindex sei ein Instrument zum Schutz der Bevölkerung. «Wirklich wirksam umgesetzt hat der Kanton das aber nicht. Es ist daher aus Rümlanger Sicht nicht einsehbar, weshalb mit einem versteckten Kapazitätsausbau die Personen um den Flughafen noch mehr Lärm hinnehmen müssen.»
Richard Stoffel
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