Gemeinden überfordert mit Asylquote
Die Gemeinden im Bezirk Dielsdorf sind am Anschlag mit der Aufnahme der Asylsuchenden. Sie fordern Bund und Kanton auf, das eigene Engagement zu erhöhen.
Wegen des geplanten Bundesasylzentrums, über dessen Bau nun das Bundesgericht befindet, muss Rümlang derzeit keine Asylbewerber aufnehmen. Bild: sti
Die Gemeinden im Bezirk Dielsdorf sind am Anschlag mit der Aufnahme der Asylsuchenden. Sie fordern Bund und Kanton auf, das eigene Engagement zu erhöhen.
Region. In einem offenen Brief wendet sich der Gemeindepräsidenten-Verband des Bezirks Dielsdorf an Regierungsrat Mario Fehr und an Bundesrat Beat Jans. Grund: Die Gemeinden stossen mit der Aufnahme der Asylsuchenden an ihre Grenzen. «Es ist ein Hilfeschrei», sagt Stefan Schmid, Präsident des Verbandes und Gemeindepräsident von Niederglatt. Noch vor zwei Jahren habe die Asyl-Aufnahmequote bei 0,5 Prozent der Wohnbevölkerung gelegen. Auf den 1. Juli werde sie von derzeit 1,3 auf 1,6 Prozent erhöht. Eine Verdreifachung also in zwei Jahren. «Die Städte und Gemeinden engagieren sich mit enormem Aufwand und haben es dank massiven Anstrengungen knapp geschafft, die heute gültige Aufnahmequote zu erfüllen», schreibt der Verband. Nach dem heutigen Kenntnisstand sei es nicht möglich, die geforderte Quote per 1. Juli zu erfüllen.
Gemäss Schmid ist vor allem die Bereitstellung der Infrastruktur ein grosses Problem. Nur schon um eine Containersiedlung an Wasser und Strom anzuschliessen, brauche mehr als die fünf Monate, die für die Umsetzung gewährt würden. Zudem sei der Platz im Siedlungsgebiet oft zu knapp und bei einem Standort ausserhalb käme es zu Diskussionen mit dem Kanton. Weiter verweist er auf die Belastung des Personals von Verwaltung und Schulen: «Unsere Mitarbeitenden sind am Limit.»
Ausserdem werde beim Status S zunehmend mutmasslicher Missbrauch festgestellt. Zum Beispiel würden Kinder aus Roma-Familien aus der Ukraine eingeschult, die gar kein Ukrainisch sprechen und plötzlich seien diese dann wieder weg. «Die Gemeinden werden durch das Asylwesen über Gebühr belastet», ist Schmid überzeugt.
Wegen der zunehmend schwierigen Situation appelliert der Gemeindepräsidentenverband, im Schreiben an den Kanton und den Bund, in grossen Lagern und Auffangzentren die Verfahren zügig abzuwickeln und nur diejenigen Personen mit positivem Asylentscheid auf die Gemeinden zu verteilen, damit sie dort integriert werden können. Hoffnung setze man auf das Versprechen von Bundesrat Beat Jans, die Verfahren zu beschleunigen. Gegen Kapazitätserweiterungen der Infrastruktur auf Bundesebene habe sich das Parlament bisher gewehrt.
Wegen der derzeitigen Situation im Asylwesen befürchtet Stefan Schmid als weitere negative Konsequenz einen Überdruss der Leute gegenüber der Politik. «Wenn wir als Gemeinden gezwungen werden, Zwei- bis Drei-Millionen-Kredite zu sprechen ohne Mitsprache des Souveräns, untergräbt das die Glaubwürdigkeit des politischen Systems.» Bei anderen Bauprojekten würden auf Gemeindeebene die Stimmberechtigten jedes Mal gefragt.
Rümlangs Gemeindepräsident Peter Meier-Neves erklärt auf Anfrage, dass sich Rümlang aus Solidarität am offenen Brief beteiligt habe. Man könne sich gut vorstellen, wie schwierig es bei der derzeitigen Situation auf dem Wohnungsmarkt sei, so schnell immer mehr Personen unterzubringen. Die Gemeinde ist zurzeit per Vertrag mit Kanton und Bund wegen des geplanten Bundesasylzentrums von der Aufnahmepflicht befreit. Dessen Bau im Gebiet Haselbach ist allerdings blockiert. Der Fall muss durch das Bundesgericht beurteilt werden.
Als grösste Herausforderung bezeichnet Regensdorfs Gemeindepräsident Stefan Marty die Unterbringung «all der Leute». Vor sechs Jahren wurde in Regensdorf eine neue Asylunterkunft gebaut, die bereits voll ist. Seit einem Monat gibt es laut Marty zusätzlich eine Containeranlage. Die Gemeinde habe auch Wohnungen und Häuser gemietet und einen Teil der Flüchtlinge in Übergangslösungen, das heisst, in Häusern, die nun abgerissen werden, untergebracht. Regensdorf sei immer wieder auf der Suche nach Häusern und Wohnungen, die sie mieten kann.
Ein weiteres Problem, das gemäss dem Gemeindepräsidenten in Angriff genommen wurde, sind Roma-Familien aus der Ukraine, die «aus einem völlig anderen Kulturkreis stammen». Daher habe die Gemeinde nun punktuell zwei Kulturvermittler beigezogen. Schwierigkeiten gebe es unter anderem mit Kindern, die es überhaupt nicht gewohnt seien, in der Schule stillzusitzen, oder mit den Regeln an den Abfallsammelstellen. Zum Beispiel bedienten sich die Leute in den Kleidersäcken und liessen den Rest dann liegen. Zurzeit sind wir in Regensdorf am Planen, wie es weitergeht», so Marty. Das Personal sei zwar am Anschlag, könne aber die Situation gerade noch bewältigen und es funktioniere gut. «Wir haben dafür zusätzliche Stellen geschaffen und müssen weitere schaffen, wenn noch mehr Flüchtlinge kommen.»
Der Kanton müsse wissen, dass die Gemeinden nicht so schnell immer mehr Asylsuchende aufnehmen können. «Wir haben keine Wohnungen übrig in Boppelsen», sagt Gemeindepräsident Thomas Weber. Die Gemeinde wolle die unschöne Unterbringung in Containern vermeiden. Momentan habe man noch zwei ältere Einfamilienhäuser zur Zwischennutzung sowie etwas Bauland. Dafür brauche es aber zuerst Planung und eine Gemeindeversammlung. Das dauere mindestens ein Jahr. Laut Weber ist die steigende Zahl der Aufzunehmenden auch ein finanzielles Problem: «Es entstehen schnell einmal Kosten von zwei bis drei Millionen Franken, die dann anderswo fehlen.»
«Die Unterbringung ist eine grosse Herausforderung», sagt auch José Torche, Gemeindepräsident von Dänikon. Die Gemeinde habe Container aufgestellt und private Wohnungen gemietet. «Wir sind aber daran, eine neue Asylunterkunft zu bauen; dies mit einem Modulbau, denn die Container seien sehr kostenintensiv im Unterhalt. «Wenn die Quote aber nochmals erhöht wird, reicht auch das nicht mehr», so Torche. Ein besonderes Ärgernis erklärt der Gemeindepräsident an einem anschaulichen Beispiel. Kaum habe man für eine fünfköpfige Familie eine Wohnung gefunden, habe diese einen positiven Asylbescheid erhalten und sei damit aus dem Kontingent gefallen. «Das heisst, theoretisch hätte uns kurz darauf eine weitere fünfköpfige Familie zugewiesen werden können.»
Bettina Sticher
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