Tangiert die Erweiterung Chalberhau römisches Heiligtum?
Das Komitee gegen die Deponieerweiterung Chalberhau reicht erneut Einsprache ein. Möglicherweise liegen auf dem Gelände archäologische Schätze vergraben.
Der zur Debatte stehende Gestaltungsplan mit Umweltverträglichkeitsprüfung favorisiert die Variante Chalberhau Mitte, die im Bild dargestellt ist. BIld: zvg
Das Komitee gegen die Deponieerweiterung Chalberhau reicht erneut Einsprache ein. Möglicherweise liegen auf dem Gelände archäologische Schätze vergraben.
Rümlang. Vor einer Woche endete die Auflagefrist des überarbeiteten Gestaltungsplans für die Deponieerweiterung Chalberhau. Wie der «Rümlanger» in der letzten Ausgabe bereits ankündigte, wehrt sich die Gegnerschaft erneut gegen das Projekt. Neu rückt sie die archäologische Bedeutung des Gebietes ins Zentrum.
«Erst kürzlich entdeckte römische Funde lassen auf dem Geländesporn ein römisches Heiligtum vermuten», besagt der Umweltverträglichkeitsbericht für den kantonalen Gestaltungsplan «Erweiterung Deponie Chalberhau, Rümlang». Das «Komitee Deponieerweiterung Chalberhau: Nein» greift in seiner Einsprache diesen Punkt auf. Die Zürcher Kantonsarchäologie habe ein Waldstück zwischen der Tempelhofstrasse und dem Chalberhaugraben als Schutzzone erklärt. Offenbar könnten sich an dieser Stelle eine Pilgerstätte mit Kapelle oder ein Bildhäuschen befunden haben.
Das Komitee befürchtet, die Erweiterung der Deponie würde die archäologische Fundstelle für immer zerstören. In einem Schreiben an das Amt für Raumentwicklung und explizit auch an die Archäologie- und Denkmalpflege bezeichnet das Komitee es als «skandalös», dass der Kantonsarchäologie lediglich zwei Wochen für die Sondierungen eingeräumt worden seien.
Der GIS-Browser des Kantons Zürich weist das Gebiet tatsächlich als archäologische Zone aus. Allerdings ist die Chalberhau bei Weitem nicht die einzige Verdachtsfläche im Kanton. Auf der Karte im GIS-Browser wimmelt es nur so von Markierungen. Dass ein Bauvorhaben eine archäologische Fläche tangiere, sei nichts Aussergewöhnliches, erklärte Oliver Leisibach, Betriebsleiter bei der Eberhard Recycling AG, auf Anfrage des «Rümlangers». Deshalb sei es auch Pflicht, sogenannte Sondierungen durchzuführen. «Solche Sondierungen sind aufwendig. Alle 20 Meter werden rund zwei Meter tiefe Löcher in den Waldboden gegraben. Der Eingriff macht keinen Sinn, bevor wir nicht wissen, ob die Erweiterung gebaut werden darf.» Ob zwei Wochen dafür reichen, hänge davon ab, ob etwas von Wert auftauche. Jede Spur archäologischer Fundstücke verzögert den Baustart. Das Risiko, dass sich etwas von nationaler, archäologischer Bedeutung auf dem Gelände befinde, sei ihnen bewusst, sagte Leisibach weiter. Dieses Risiko bestehe praktisch bei jedem Bauprojekt – auch bei Wohnbauten und während der ganzen Bauphase. Als Bauherrschaft müsse man gewappnet sein und Funde melden. «Für uns sind die Verzögerungen, die entstehen, unangenehm, aber ebenfalls nichts Aussergewöhnliches», so Leisibach.
Die Gegnerschaft vergleicht das Gelände in Rümlang mit jenem in Winkel-Seeb, wo eine römische Villa gefunden, freigelegt und unter nationalen Schutz gestellt wurde. Würde dies, rein hypothetisch, auch im Gebiet Chalberhau geschehen, wäre das Deponie-Projekt mindestens für lange Zeit, vielleicht für immer blockiert, «falls das öffentliche Interesse an der Erhaltung höher zu gewichten ist als der Nutzen des geplanten Bauvorhabens», so Isabelle Rüegg von der Medienstelle der Baudirektion.
Einwendungen gibt es vom Gegner-Komitee wiederum auch gegen die Rodung einiger alter Eichen, die als Habitat für seltene Tiere und Pflanzen bedeutsam seien. Zwar ist ein Rodungsersatz in Rheinau vorgesehen, doch sei dieser widerrechtlich, denn er befinde sich nicht, wie das Gesetz verlange, «in derselben Gegend». Weiter werfen die Projekt-Gegner den Gesuchstellenden Täuschung vor. Denn im Rodungsgesuch aus dem Jahr 2016 sei nicht vermerkt gewesen, dass auf die erste eine zweite Rodung folge. Auch formale Einwände gibt es: Im zweiten Rodungsgesuch aus dem Jahr 2023 fehle die Frist für die Rodung, die laut Art. 5 des Waldgesetzes zu setzen sei. Von einer «temporären Rodung» könne bei einer Deponie, die für 25 Jahre angelegt sei, nicht die Rede sein, so das einsprechende Komitee, das zudem fordert, sämtliche Kosten und Risikofaktoren seien dem jetzigen Deponiebetreiber anzulasten.
Wer die Kosten für Ausgrabungen trägt, erklärt die Kantonsarchäologie Zürich auf ihrer Website: «Die Kosten für archäologische Abklärungen und Ausgrabungen werden bei privaten Bauherrschaften vom Kanton übernommen. Ausgenommen sind Bauherrschaften, die öffentliche Aufgaben erfüllen. Bei diesen gilt wie beim öffentlichen Gemeinwesen die sogenannte Selbstbindung.»
Wie das in diesem Fall zu verstehen wäre, konnte der «Rümlanger» nicht abschliessend klären. Bekannt ist, dass die Kosten für den 600-seitigen Gestaltungsplan mit UVP bereits die Bauherrschaft getragen hat.
Bernadette Dettling
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