Nach dem Bannumgang hat Rümlang eine eigene Banknote
Rund 60 Personen haben sich am Sonntag zum traditionellen Bannumgang getroffen. Auf der Wanderung sprach der Gemeindepräsident über die Folgen der wachsenden Infrastruktur.¶
Rund 60 Personen haben sich am Sonntag zum traditionellen Bannumgang getroffen. Auf der Wanderung sprach der Gemeindepräsident über die Folgen der wachsenden Infrastruktur.¶
Rümlang. Die Aussicht vom Rümlanger Chätsch auf den Flughafen, die äusseren Kreise der Stadt Zürich und die Autobahn ist etwas Besonderes: Mitten im Grünen fühlt man sich befreit und gleichzeitig umzingelt von der lärmenden Zivilisation. Den Kontrast unterstrichen am Bannumgang die Pferde des Chätschhofs: Mit wehenden Mähnen galoppierten sie an den Zaun, um die Gruppe Wanderer zu begutachten, während weiter unten am Hügel die motorisierten Pferdestärken über die Autobahn rollten.
Die Autobahn bildet die Grenze zwischen Rümlang und der Stadt Zürich. Schon vor 2000 Jahren unterhielten die Römer hier eine Strasse für Handel und Heer, die vom Bodensee zum Genfersee führte. Heute fordern die Vorteile eines dichten Verkehrsnetztes, meistens Opfer von der angrenzend lebenden Bevölkerung. Wächst diese, wird der Spagat zwischen Versorgung, Mobilität und dem Schutz der Gesundheit von Menschen und Natur schwieriger. Der Gemeindepräsident Peter Meier-Neves stellte auf dem Bannumgang Bereiche vor, wo die Bedürfnisse einander in Bedrängnis bringen.
Beim Obsthaus Gujer sprach Meier über die Landwirtschaft. Den Schweizer Bäuerinnen und Bauern liege eine nachhaltige Produktion von Lebensmitteln am Herzen, damit die Umwelt intakt und für kommende Generationen erhalten bleibe. Doch leide die Landwirtschaft unter dem Klimawandel und der wachsenden Nachfrage nach Wohnraum. Auch Massnahmen für die Natur, wie die Glattrenaturierung, gingen zu Lasten des Agrarlandes. Der Selbstversorgungsgrad der Schweiz hat von 70 % im Jahr 1950 auf aktuell 56 % abgenommen. Entsprechend stieg die Abhängigkeit von Importen. Am nächsten Halt eröffnete sich die Sicht über die Felder auf die beiden Katzenseen. 200 000 Personen zirka besuchen jährlich das Naherholungsgebiet. «Die Stadt Zürich möchte die Katzensee-Schutzzone weiter ausdehnen, wodurch diese der landwirtschaftlichen Nutzung entzogen würde», sagte Meier. «Wir müssen uns dafür einsetzen, dass die Besucherattraktivität nicht noch weiter ausgedehnt wird und unsere Bauern deswegen ihre Lebensgrundlage verlieren.»
Ein letzter Zwischenstopp fand beim Reservoir im Wald statt. Wald und Trinkwasser – zwei Schätze, die ebenfalls durch die wachsende Zivilisation in Bedrängnis geraten und denen man Sorge tragen sollte. Zum Abschluss des Bannumgangs fasste Meier zusammen, es sei seine Absicht gewesen, zu zeigen, dass die Schweiz und auch Rümlang über tolle Infrastrukturen und Naherholungsgebiete verfüge, ihr weiterer Ausbau jedoch einen immer höheren Preis habe. Die Last solle möglichst gerecht verteilt und wo dies nicht möglich sei, abgegolten werden.
Nach der Wanderung liess sich die Gruppe in der Heuel-Halle nieder, um mit den Vertretern der vier Rümlanger Kirchen einen Gottesdienst zu feiern, musikalisch unterhalten vom Musikverein und anschliessend bewirtet von der Feuerwehr. Wiederum ergriff zuerst der Gemeindepräsident das Wort: «Die schönsten und saubersten Landschaften sind bedeutungslos, wenn die Menschen nicht in Frieden miteinander leben können.» Der wahre Wert einer Gesellschaft liege somit in der Verwirklichung menschlicher Prinzipien wie Würde, Freiheit, Gerechtigkeit und Respekt. Ziele, die man nur gemeinsam erreichen könne. In diesem Sinne bedankte er sich Meier-Neves bei den vier Kirchen für ihr Miteinander.
Talente und wie Menschen auf unterschiedliche Arten damit umgehen, waren das Thema des Gottesdienstes, den der katholische Pfarrer Bruno Rüttimann eröffnete und an dem auch der reformierte Pfarrer Kurt Gautschi sowie die Pastoren Philipp Baumann der Evangelischen Täufergemeinde und Daniel Baltensperger, Viva Kirche, mitwirkten. In kleinen, theatralischen Einlagen erhielten letztere drei vom «Herrn» Rüttimann «Talente» entsprechend ihren Fähigkeiten. Wobei das Wort «Talente» in diesem Fall für die Währung der römischen Kaiserzeit stand, also für Geld. Zwei investierten ihre Talente und verdoppelten sie. Der Dritte, der nur ein Talent erhalten hatte, versteckte dieses, anstatt etwas Sinnvolles damit anzufangen. Durchaus passend zur Thematik des Bannumgangs, war das Fazit: «Wer hat, dem wird gegeben. Wer nicht hat, dem wird genommen.» Eine andere Perspektive nahm das Gleichnis des verlorenen Sohnes ein, der zwar das Geld seines Vaters verprasste von ihm dennoch mit offenen Armen empfangen wurde, als er nach langer Zeit – todgeglaubt – lebendig zurückkehrte.
Wer bis jetzt nach einem Roten Faden gesucht hatte, konnte sich einen zusammenreimen, als der Verwaltungsleiter Giorgio Ciroli den Anwesenden ein Souvenir übergab: Eine Rümlanger Banknote aus echtem Geldpapier mit der Aufschrift 1100 Jahre Rümlang und dem Wert null. Darauf abgebildet sind vorne die reformierte Kirche Rümlang und hinten der Pariser Eiffelturm, das Kolosseum Rom, das Brandenburger Tor Berlin, die Basilika Sagrada Familie in Barcelona und das Denkmal der Entdeckungen in Lissabon.
Bernadette Dettling
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