08.11.2024 00:05
Pilotprojekt «Sozialpädagogik» erfolgreich gestartet
Seit den Sommerferien bietet die Sekundarschule Rümlang-Oberglatt verhaltensauffälligen Schülern, ihren Eltern und Lehrpersonen versuchsweise sozialpädagogische Unterstützung an. Mit ersten Erfolgen.
Rümlang. Das Auffangnetz für jugendliche Rümlangerinnen und Rümlanger wird engmaschiger, das Beratungsangebot wächst. Für Eltern, die nach Unterstützung für ihre Kinder suchen und für die Jugendlichen selbst, ist es nicht ganz einfach, die einzelnen Angebote voneinander zu unterscheiden, um die passende Anlaufstelle zu finden. Patricia Rütten, Schulsozialarbeiterin und Projektleiterin des Projekts Schulsozialpädagogik an der Sekundarschule Rümlang-Oberglatt sagt dazu: «Die Anbieter sind untereinander gut vernetzt und können Auskunft geben. Zeigt sich nach ein paar Sitzungen, dass eine andere Anlaufstelle geeigneter wäre, beraten wir entsprechend.»
Christoph Lokhorst nimmt sich im Projekt Sozialpädagogik der Sekundarschule Rümlang-Oberglatt der Schülerinnen und Schüler an, die sich in der Klasse auffällig verhalten. Wie Lokhorst erklärt, könnte darunter zum Beispiel Jugendliche fallen, die trotz Ermahnungen immer wieder den Unterricht stören, sich respektlos gegenüber Lehrpersonen und Mitschülern verhalten, regelmässig zu spät kommen oder wiederholt ihr Schulmaterial zuhause vergessen. Sie haben oft einen negativen Einfluss auf das Klassengefüge und die Lernatmosphäre. Bei diesen verhaltensauffälligen Jugendlichen besteht grundsätzlich keine Diagnose zu einer neurologischen Störung, wie ADHS oder Autismus, weshalb sie keinen Anspruch auf integrative Förderung haben und ihnen die Klassenassistenzen nicht zur Verfügung stehen. Für Lehrpersonen und Mitschüler ist das eine belastende Situation.
Das Umfeld einbeziehen
Im Projekt Sozialpädagogik sollen nun auch diese Jugendlichen unterstützt werden, damit sie einen Weg aus ihren sozial unverträglichen Verhaltensmustern finden. Seit den Sommerferien arbeitet Christoph Lokhorst an der Sekundarschule Rümlang-Oberglatt mit vier Schülern. Er habe den Zugang zu ihnen gut gefunden und bereits erste Erfolge erzielt. Einer der vier Schüler habe positive Rückmeldungen der Lehrpersonen und Schulkollegen erhalten, ein anderer sei auf gutem Weg. «Ist der Turnover geschafft, sind alle erleichtert – Lehrer, Mitschüler, Eltern und der Jugendliche selbst», sagt Lokhorst. Patricia Rütten, Sozialarbeiterin an der Sekundarschule Rümlang-Oberglatt, erklärt, dass die Jugendlichen sich nicht wohl fühlten mit ihrem Verhalten. «Spricht man mit ihnen, merkt man, dass sie anständig sein möchten. Sie erzählen, was sie belastet.» Die Umstände in der Klasse oder zuhause können zum Teil festgefahren sein, so dass die Jugendlichen allein keinen Ausweg finden. Das Verhältnis zu den Eltern spiele eine Rolle. Lokhorst ergänzt: «Es ist wichtig, das ganze Umfeld miteinzubeziehen. Auch die systemische Arbeit mit den Eltern gehört dazu. Sie sind froh um die Unterstützung und wollen an einer Verbesserung der Situation mitarbeiten.»
Hochschwelliges Angebot
Damit eine Schülerin oder ein Schüler mit Lokhorst arbeiten darf, muss eine konkrete Problematik, also ein störendes Verhalten, vorliegen. Die Lehrpersonen füllen dazu einen Fragebogen aus. Die Schulleitung, Lokhorst und Rütten besprechen ihn und entscheiden, ob eine Intervention gerechtfertigt ist. Danach finden Gespräche mit den Eltern statt. Diese müssen mit einer Unterschrift zustimmen und ihre Mitarbeit bestätigen. Erst dann wird der Jugendliche einbezogen. Ist die Unterschrift der Eltern gesetzt, ist der Jugendliche verpflichtet, die Termine mit dem Sozialpädagogen wahrzunehmen. «Die Teilnahme ist verbindlich und nicht freiwillig», bringt es Lokhorst auf den Punkt.
Projekt spart Kosten
Das Pilotprojekt Sozialpädagogik dauert vorerst zwei Jahre und beschränkt sich auf das Schulhaus Chliriet in Oberglatt. Danach entscheidet das Stimmvolk, ob es in Oberglatt weiterbesteht und auch in Rümlang eingeführt wird. «Die bisher erzielten Erfolge deuten darauf hin, dass wir mit dem internen Sozialpädagogen hohe Kosten sparen», erklärt Patricia Rütten. Kosten, die sonst für eine externe Sonderschulung sowie für Anschlusslösungen anfallen würden, denn ohne regulären Sekundarschulabschluss, sei es für die Jugendlichen schwierig, eine Lehrstelle zu finden.
Enge Begleitung wirkt
Christoph Lokhorst ist sehr erfahren in der Arbeit mit Jugendlichen. Er war in der offenen Jugendarbeit tätig, in der Arbeitsintegration und als Beistand beim Kinder- und Jugendzentrum. Er schätze es sehr, in diesem Projekt so eng mit den Schülerinnen und Schülern zusammenarbeiten zu dürfen. «Wenn man sie einzeln aus der Klasse herausnimmt, kann das eine sehr grosse Wirkung haben - auch auf das Wohlergehen der anderen». Dass der grosse Teil der Klasse lernen wolle und manche Schüler unter der Ablenkung durch die auffälligen Schüler sogar leiden, gehe oft noch unter. «Ich finde es schön, dass eine Schule genauer hinschaut und sich Gedanken macht, wo sie an ihre Grenzen stösst und welche Art der Unterstützung sie braucht.»
Bernadette Dettling