Förster Thomas Hubli hat sich für die Erhaltung der Eichen am Glattufer eingesetzt.
11.04.2025 00:05
Eichen zwischen Kahlschlag und Unterschutzstellung
Für die Revitalisierung der Glatt war geplant, alle Bäume im Baugebiet zu roden. Der Revierförster Thomas Hubli und die Kantonsrätin Wilma Willi haben eingegriffen und sich für die Rettung alter Eichen eingesetzt.
Rümlang. Im Februar haben die Bauarbeiten für die Revitalisierung der Glatt zwischen Rümlang Fromatt und Opfikon Talwäng mit Rodungen begonnen. Als die Fällkrane an manchen Stellen das Glattufer komplett kahlschlugen, hat dies Spazierende traurig gestimmt. Auch der Revierförster Thomas Hubli erschrak, als er im Dezember 2024 die radikalen Pläne sah. Hinter den Kulissen startete er umgehend eine Eichen-Rettungsaktion, indem er das Gespräch mit der Bauherrschaft, der Flughafen Zürich AG, suchte. Was dabei herauskam und was ihn im Dezember an der Situation gestört hat, erklärte Hubli am Mittwoch, bei einem Augenschein vor Ort.
Als störend empfand der Rümlanger Förster, dass der Kanton auf eigenem Gebiet einem Kahlschlag zustimmte und nun, nur wenige Meter daneben, auf einem Privatgrundstück, alte Eichen unter Schutz stellen wolle. Die Massnahme sei unverhältnismässig, weil der private Waldbesitzer den Eichenbestand seit langem fördere. «Genau deswegen konnten sich hier doch die wertvollen Strukturen etablieren», erklärte Hubli. Dass der Kanton nun eingreifen wolle, bestrafe den Eigentümer für sein vorbildliches Verhalten. «Die Folge ist, dass einige Waldbesitzer Eichen nicht mehr fördern wollen, weil Einschränkungen drohen, sobald die Bäume alt sind.» Wer Wald besitze, wolle eine alte Eiche auch mal fällen dürfen, um aus ihr einen schönen Tisch oder Parkett herzustellen und dafür eine neue Eiche zu pflanzen. Ein solches Verhalten sei nicht verwerflich, sondern nachhaltige Waldwirtschaft, so Hubli. Der Wald brauche die gezielte Verjüngung.
Rolle der kantonalen Fachstelle
«Ich setze ein grosses Fragezeichen hinter die Rolle der Fachstelle Naturschutz des Kantons», sagte der Förster und wies auf eine alleinstehende Eiche am Glattufer. «Diese Eiche ist etwa 80 bis 100 Jahre alt. Sie wird in 50 Jahren dieselben wertvollen Arten beherbergen, die auch im Privatwald daneben leben und ihnen als Trittstein zwischen den Waldgebieten dienen. Für mich ist diese alleinstehende Eiche deshalb sehr wertvoll: Jeder Förster lernt doch, dass die Vernetzung wichtig ist.» Dennoch stimmte die kantonale Fachstelle Naturschutz zu, die Vernetzung komplett zu kappen.
Ein Fragezeichen setzt auch die Kantonsrätin Wilma Willi (Grüne). Sie erhielt vergangene Woche die Antwort des Regierungsrates auf eine Anfrage, die sie im Januar eingereicht hatte. Willis Absicht war es, die Zuständigkeiten und Hintergründe der umfangreich geplanten Fällarbeiten zu klären. So ist die Revitalisierung der Glatt eine ökologische Ersatzmassnahme der Flughafen Zürich AG, die das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) bereits 2022 bewilligt hat. Die FZAG ist seit Ende der 60er Jahre gesetzlich verpflichtet solche Ersatzmassnahmen zu leisten. Die Gesamtverantwortung liegt daher beim Bund. Der Kanton sei lediglich angehört worden, er unterstütze die Revitalisierung aber grundsätzlich, schrieb der Regierungsrat in seiner Antwort, und führt weiter aus: Im Laufe des Projektes habe sich der Kanton dafür eingesetzt, dass Eichen auf Waldareal möglichst geschont würden. An den Böschungen entlang der Glatt habe der Kanton – in seiner Funktion als Grundeigentümer – der Fällung von 24 Eichen zugestimmt. Einerseits, weil sie der «Aufweitung des Gerinnes» im Wege standen, andererseits weil eine Spezialistin festgestellt habe, dass diese Eichen nicht Lebensraum seltener und geschützter Arten waren. Willi kommentierte: «Für die Bevölkerung ist es wirklich oft nicht klar, dass der Bund beim Flughafen im Lead ist und wir in den Gemeinden sowie im Kanton vieles erdulden müssen ohne Mitspracherecht und ohne eine Wahl zu haben.» Und Hubli sagte: «Die Eichen sind noch nicht Lebensraum seltener Arten, werden es aber bald sein und dann die Waldgebiete vernetzen. Die Fachstelle Naturschutz hat es am Anfang verpasst, ein Bauminventar zu verlangen».
Mit ihrer Anfrage bezweckte die Kantonsrätin Willi auch, die ökologischen Ersatzmassnahmen des Flughafens richtig einzuordnen. So hat die Glattrevitalisierung nichts mit der geplanten Pistenverlängerung zu tun, was viele irrtümlich annehmen. Dies bestätigte auch die Medienstelle des Flughafens: Die Ersatzmassnahmen für die Pistenverlängerung werden direkt beim Bau der Piste ergriffen, indem die Glatt und das Gebiet unmittelbar hinter der verlängerten Piste ökologisch aufgewertet werden. Die Glattrevitalisierung hingegen kompensiert – überkompensiert sogar – den Standplatzausbau im Westen, der 2020 bis 2024 erfolgte.
Rettungsaktion des Forsts
Zurück zur Eichen-Rettungsaktion. Nachdem Hubli das Gespräch mit der FZAG gesucht hatte, gingen er und die Planer über die Bücher. «Die Ansprechpartner des Flughafens waren bereit, Anpassungen vorzunehmen, wo dies möglich ist.» Er sei dankbar für ihre Offenheit und Kooperation, sagte Hubli. Dankbar sei er auch, dass ihn der zuständige Kreisforstmeister, Stefan Rechberger, unterstützt habe, um auch im oberen Teil der Glatt Eichen zu erhalten. Die Gespräche haben sich gelohnt: Von den 34 Eichen entlang des Glattufers können nun 13, möglicherweise sogar 18, geschont werden, indem das Bachbett an den Standorten etwas steiler gebaut oder der Radweg verlegt wird. «Wir hoffen auch, dass weitere Laubbäume wie Kirschen, Linden, Pappeln und eine schöne, grosse Weide an einem der geplanten Grillplätze gerettet werden», sagte Hubli. Durch das entschlossene Vorgehen der Förster und die bereitwillige Kooperation der Bauherrschaft, ist es somit gelungen, eine maximale Anzahl Eichen und ihr künftiges, wertvolles Habitat zu retten.
Bernadette Dettling