Zurück zu den Wurzeln, vorwärts mit der Kunst
Petra und Annika Schiesser – Mutter und Tochter – stellen gemeinsam an der Rümlanger Ausstellung «Donne dell’arte» aus. Zwei Generationen, zwei Medien, ein kreatives Zuhause.
Annika und Petra Schiesser werden an der Kunstausstellung "Donne dell'arte" in Rümlang ihre Werke präsentieren. Bild: Janik Schmid
Petra und Annika Schiesser – Mutter und Tochter – stellen gemeinsam an der Rümlanger Ausstellung «Donne dell’arte» aus. Zwei Generationen, zwei Medien, ein kreatives Zuhause.
Rümlang. Wenn die Strickmaschine rattert und im Nebenraum Pinselstriche fallen, dann ist Alltag im Hause Schiesser. Petra Schiesser sitzt vor ihrer über fünfzig Jahre alten Strickmaschine. Sie arbeitet konzentriert, die Musik läuft laut, und kurze «Fluchpausen» befreien, wenn ein Faden reisst. Nebenan malt ihre Tochter Annika. Für die beiden ist diese Atmosphäre nichts Besonderes. «Wenn Leute zu uns kommen, sagen sie oft: Wow, ihr seid so kreativ. Aber für uns ist das normal», sagt Annika und lacht. Auch der Rest der Familie ist kreativ: Der Vater spielt Trompete – genau wie Annikas Bruder, der ausserdem fotografiert.
Dass Mutter und Tochter nun gemeinsam an der Ausstellung «Donne dell’arte» teilnehmen, ist kein Zufall – aber auch keine lange geplante Entscheidung. «Mein ehemaliger Kurator meinte schon vor 25 Jahren, dass auch Textilerinnen Kunst machen», erzählt Petra. Er lud sie damals ein, ihre Abschlussarbeit zu zeigen – seitdem war sie mehrfach Teil seiner Ausstellungen. Als sie dann von ihrem jetzigen Kurator von «Donne dell’arte» hörte, dachte sie: «Komm, mach doch auch mit.» Die Tochter musste nicht lange überlegen: «Ich mache mit, weil Mami mitmacht», sagt sie mit einem Schmunzeln.
Annika ist 19 Jahre alt, macht die gestalterische Berufsmaturität Teilzeit und arbeitet nebenbei als Klassenassistentin. Ihre drei an der Ausstellung gezeigten Werke zeigen sie mit Frauen aus ihrer Familie: Mutter, Grossmutter und Urgrossmutter – vier Generationen inklusive der Künstlerin selbst. «Ich habe zu berühmten Frauen keinen grossen Bezug, aber zu den Frauen in meiner Familie schon. Diese Frauen haben mich geformt», sagt sie. «Diese Bilder sind auch ein Dankeschön dafür.» Die Auswahl der Motive war nicht einfach. Aus einem grossen Fundus an Familienbildern musste sie drei auswählen. «Die Persönlichkeit auf einem Bild einzufangen, ist nicht einfach.»
Der kreative Prozess beginnt für sie oft intuitiv. «Ich frage meine Mutter bei jedem Schritt um Feedback – schon nach der Grundierung.» Petra ist dabei nicht nur Künstlerin, sondern auch Mentorin. «Da druckt die Zeichnungslehrerin bei mir durch», meint sie lachend.
Petra selbst kehrt mit ihrer Arbeit zu ihren gestalterischen Anfängen zurück. «Back to the roots» heisst das Thema ihrer ausgestellten Werke. Die Textildesignerin hat vor rund 25 Jahren an der Hochschule der Künste in Zürich abgeschlossen. «Früher, als die Kinder klein waren, hatte ich wenig Raum für mein eigenes Schaffen. Jetzt nabeln sie sich langsam ab – ich habe wieder mehr Zeit.» Mit Wolle und Kaschmir fertigt sie Schals, die sie mit Bienenmotiven bestickt. Warum Bienen? «Ich mag Insekten», sagt sie schlicht.
Dass es bei der Ausstellung um weibliche Kunst geht, passt für beide. Die Anerkennung für diese sei in einer von Männern dominierten Kunstwelt jedoch immer noch schwierig. Annika erkennt ähnliche Mechanismen auch in der Modebranche: «Viele namhafte Modehäuser wurden von Frauen ins Leben gerufen – heute werden sie von Männern dominiert. Frauen müssen sich in dieser Branche einfach stärker beweisen.»
Der Alltag spielt bei beiden eine zentrale Rolle im kreativen Prozess. Annika erinnert sich an ihre Schulzeit: «Mein Mathebuch sah aus wie ein Schlachtfeld – ich habe schon damals viel gemalt.» Stop-Motion-Projekte, Collagen, Ideen, die sie im Freundeskreis diskutierte – Kunst durchdrang ihren Alltag schon früh. Petra dagegen fand nach einer kreativen Pause durch das Durchblättern von Journalen zurück zur Inspiration. «Dann habe ich einfach ausprobiert – und gestaltet.»
Für die beiden Schiessers ist die Ausstellung in Rümlang mehr als eine Präsentation ihrer Arbeiten. Es ist ein Einblick in einen künstlerisch geprägten Alltag, in dem Fäden reissen und Pläne verworfen werden dürfen – solange die Strickmaschine weiterrattert und die Farben nicht austrocknen.
Die Kunstausstellung mit Arbeiten von elf Künstlerinnen aus Rümlang ist vom Montag, 8. September, bis am Freitag, 7. November, im Gemeindehaus Rümlang zu besichtigen. Die Vernissage ist am Sonntag, 7. September, mit musikalischer Umrahmung von Aylin Fassler und Annina Gysel an der Harfe.
Janik Schmid
Lade Fotos..