Die wundersame Welt der Pilze
Der Verein Natur und Umwelt Rümlang NUR lud letzten Samstag zur «Pilzjagd» ein. Ob geniessbar oder giftig - Pilzkontrolleurin Christine Piffaretti gab spannende Einblicke in das Reich der faszinierenden Waldbewohner.
Einige Flämmlinge lassen sich durch das an die Lippen halten unterscheiden. «Alle Flämmlinge sind ungeniessbar», weiss Pilzkontrolleurin Christine Piffaretti (rechts). Bild: Martina Kleinsorg
Der Verein Natur und Umwelt Rümlang NUR lud letzten Samstag zur «Pilzjagd» ein. Ob geniessbar oder giftig - Pilzkontrolleurin Christine Piffaretti gab spannende Einblicke in das Reich der faszinierenden Waldbewohner.
Rümlang. «Wir pflücken keine ‹Babys› und lassen alte oder zerfressene Exemplare stehen», gibt die Pilzkontrolleurin Christine Piffaretti den Teilnehmenden der NUR-Pilzjagd grundlegende Instruktionen. Treffpunkt der kleinen, bunt durchmischten Gruppe ist an diesem sonnigen, aber kühlen Samstagmorgen der vergangenen Woche die Feuerstelle Haselbach am Rand des Rümlanger Waldes.
Piffaretti trägt zwei Körbe bei sich – einen für essbare, einen für giftige Exemplare. Es reiche von jeder Art nur zwei, drei Vertreter zu sammeln. «Unser Ziel ist es nicht, den Wald leerzufegen, sondern die Vielfalt der Pilze kennenzulernen», stellt die Fachfrau klar. Wichtig sei, den ganzen Fruchtkörper aus dem Boden zu nehmen, denn gerade am unteren Stiel befinden sich oft wichtige Merkmale zur Bestimmung. Das Myzel, das unterirdische Wurzelgeflecht, bleibt im Boden und ermöglicht so ein stetiges Nachwachsen.
Als «Jagdrevier» hat die Expertin den Nadelwald gewählt, dort lassen sich Pilze leichter entdecken. Bald schwirren die Teilnehmenden durchs Unterholz und bringen ihre Funde zu Piffaretti. «Der hier bleibt lieber im Wald», sagt sie, während ein kleiner, unscheinbarer Lamellenpilz im «Giftkorb» landet. 2025 sei kein gutes Pilzjahr, zumindest in der Region sehe es eher mager aus. «Schnecken gibt es dafür umso mehr – kaum wachsen die Pilze, werden sie schon angefressen.»
Auch langfristige Veränderungen seien spürbar. Pilze, die vor zehn Jahren noch Raritäten waren, wachsen heute überall auf den Wiesen im Dorf, wie der Wurzelnde Bitterschwamm – ein giftiger Doppelgänger des Steinpilzes.
Mit Stolz kann eine Teilnehmerin ein Exemplar des edlen Speisepilzes, einen Herrensteinpilz, ausfindig machen. Auch der schmackhafte Büschelrasling, sonst häufig am Wegesrand zu entdecken, macht sich an diesem Tag rar.
Im Kanton Zürich besteht während der Schonzeit vom 1. bis 10. jedes Monats Sammelverbot, ansonsten ist die Menge auf ein Kilogramm pro Person und Tag beschränkt. Eine Ausnahme bildet der Hallimasch – ein parasitärer Pilz, der lebende Bäume befallen kann. Seinen Namen verdanke er seiner verdauungsfördernden Wirkung: «Hallimasch kommt von ‹Heil im Arsch›», verrät Piffaretti lachend.
Nach einer Stunde zurück am Ausgangsort sortiert die Pilzexpertin am langen Tisch die Funde nach Gattungen. «Unglaublich, die verschiedenen Grössen, Formen und Farben», staunt eine Teilnehmerin. Zwei Exemplare des Grünen Knollenblätterpilzes sind unter der Ausbeute – schon 50 Gramm davon können tödlich sein. Es kennzeichnet ihn ein süsslicher, ammoniakartiger Geruch, den Piffaretti in der Runde erschnuppern lässt.
Wer mag, darf einen Flämmling «küssen». «Der Tannenflämmling hat eine raue Oberfläche im Gegensatz zum Geflecktblättrigen Flämmling», weiss Piffaretti, doch seien alle Flämmlinge ungeniessbar. Für Täublinge gelte – mit Ausnahmen – eine Faustregel: «Die milden sind essbar, die scharfen nicht.» Als fischartig lässt sich der Geruch des Heringstäublings beschreiben, welcher beim Kochen jedoch verschwindet.
«Stirbt man, wenn man einen Fliegenpilz isst?», fragt der 12-Jährige Matti. «Dir würde es danach nicht gut gehen», meint Piffaretti. Früher schnitt man den Fliegenpilz in Scheiben und legte ihn in einen Teller mit Milch als tödliche Fliegenfalle, was seinen Namen erklärt.
Mit Begeisterung zeigt Piffaretti weitere Fundstücke: den blau schimmernden Kleinsporigen Grünspanbecherling, der morsches Holz verfärbt, und den glänzenden Buchenschleimrübling – optisch einer ihrer Lieblingspilze: «Wenn ich im Wald schöne finde, könnte ich sie stundenlang fotografieren.»
Auch die den Morcheln ähnlichen Lorcheln liegen auf dem Tisch. Wegen des flüchtigen giftigen Stoffs Gyromitrin ist das Einatmen des Kochdampfes oder der Luft beim Trocknen gefährlich. «Zudem verfügen die Lorcheln über weitere Giftstoffe, die sich bei der Zubereitung nicht verflüchtigen», erklärt
Piffaretti.
Viele Pilze werden wegen ihrer heilenden Wirkung als Vitalpilze geschätzt – etwa der Birkenporling gegen Magenbeschwerden. Andere finden als Gewürzpilz in der Küche Verwendung, wie der aromatische Knoblauchschwindling oder der pikante Pfefferröhrling.
Zum Schluss gibt Piffaretti noch einige Ratschläge mit auf den Weg. Anfängern rät sie davon ab, weisse Pilze zu sammeln. «Die vielen verschiedenen Arten sind oft schwer zu unterscheiden und die wenigsten davon essbar.»
Pilze mit rot-orangefarbenem Milchsaft – etwa die Reizker – gelten in der Regel als essbar und sind ausgezeichnete Bratpilze. Auch bei Pilzen mit Schwamm unter dem Hut sei die Gefahr geringer, einen tödlich giftigen Pilz zu erwischen.
«Zu Beginn sollte man sich beim Sammeln auf vier, fünf Arten beschränken, mit je zwei bis drei Exemplaren, und diese sortiert zur Kontrolle bringen», rät Piffaretti. «Wenn man Glück hat, ist etwas Essbares dabei – die Speisepilze kann man sich für das nächste Mal merken und die anderen dann getrost stehen lassen.»
Martina Kleinsorg
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